Freimaurerei

Die Freimaurerlogen

sind die Nachkommen der Dombauhütten des Mittelalters. Im Unterschied zu unseren Vorfahren tragen wir unsere Steine aber nicht zu einem Kirchenbau, sondern versuchen, unseren jeweiligen Stein in den ideellen Tempel der Humanität, der Menschlichkeit, einzufügen.

Wir bauen jedoch immer noch. Wir benutzen dabei symbolisch Baumaterialien und Werkzeuge der alten Steinmetzen. Sowohl unseren örtlichen Zusammenschluss als auch den Ort, an dem wir uns treffen, bezeichnen wir als „Bauhütte“; „Loge“ – vom englischen Wort „Lodge“ – ist damit gleichbedeutend.

Der raue Stein, den jeder von uns bis an sein Lebensende behaut, ist die jeweils eigene Persönlichkeit mit ihren Ecken und Kanten, die es zu glätten gilt, damit wir unseren Stein harmonisch in die Schöpfung eingliedern und, sofern und soweit das gelingt, zu einer menschenwürdigeren Welt beitragen können. Das bedeutet aber nicht, dass alle Steine gleich gestaltet würden. Ein jeder ist nach seiner Eigenart zu behauen. Die Freimaurerlogen sind Gemeinschaften von Ungleichen.

Der Tempel

ist der Ort, an dem wir symbolisch arbeiten. Er ist kein bestimmter, besonders geweihter Raum, sondern entsteht da, wo wir uns zur Arbeit versammeln und unser maurerisches Ritual zelebrieren. Im Ritual begegnen wir Symbolen in vielfältiger Form. Sie treten uns in Gestalt der Darstellungen auf unserem Arbeitsteppich entgegen, aber auch in körperlichen Gegenständen, in Handlungen und Wechselgesprächen. Immer sollen sie uns dabei helfen, Antworten auf unsere „letzten“ Fragen zu finden:

Woher komme ich? Welche Aufgabe habe ich in dieser Welt? Wohin gehe ich?

Ein besonderes Symbol ist der „Allmächtige Baumeister aller Welten“. Jeder Bruder ist aufgerufen, seinen spezifischen Gottesbegriff, wie dieser auch geartet sein mag, an die Stelle dieses Platzhalters zu setzen.

Auf unserem Arbeitsteppich

befindet sich das Mosaikpflaster aus schwarzen und weißen Quadraten. In der maurerischen Symbolik weisen seine wechselnden weißen und schwarzen Felder auf den ständigen Wechsel von Licht und Schatten, Freude und Schmerz, Kommen und Vergehen hin, der unser Leben kennzeichnet. Die Regelmäßigkeit der Anordnung zeigt, dass dieser Wechsel nicht ein Spiel des blind waltenden Zufalls ist, sondern die Wirkung ewiger Gesetze, die uns in die Bahnen der Entwicklung zur Vollendung hin geleiten wollen. Das Verhältnis von Licht und Finsternis beschäftigt den Maurer auf besondere Weise. Die Freimaurerei ist ein Einweihungsbund. Die Initiation betrachtet sie als Lichtgebung.

Ebenfalls auf dem Arbeitsteppich sehen wir die Knotenschnur, die von oben, aus dem Bereich der Transzendenz, bis zum musivischen Pflaster, in unsere dialektische materielle Welt, herabreicht. In die Schnur sind Achterknoten geknüpft. Dieser feste, aber auch leicht wieder lösbare Knoten war für die alten Bauleute mehr als nur ein Hilfsmittel zur Befestigung und zum Heben von Baumaterialien. Für sie war das Seil, das sich aus den Höhen des Kirchenbaus, gleichsam aus dem Himmel, zu ihnen herabsenkte, ein Bild für die Verbindung der in den Beschränkungen der Welt verhafteten Menschen mit dem Ewigen. Der Knoten als Hilfsmittel für den Transport nach oben und unten stand für die Möglichkeit des Austauschs, der die Voraussetzung dafür ist, dass die Menschen ihre Bestimmung erkennen und ihr Leben und Wirken an ewigen Werten ausrichten können. Darüber hinaus sicherten die Bauleute einander in gefährlichen Situationen mit Seil und Achterknoten. Deshalb waren diese auch Symbol der gegenseitigen Hilfe und, als sichtbare Verbindung zwischen den Bauleuten, der brüderlichen Verbundenheit innerhalb ihrer Gemeinschaft. Heute sichern wir einander nicht mehr mit Seilen – aber die symbolische Bedeutung des Achterknotens ist auch in uns lebendig.

DAS freimaurerische Ritual

gibt es nicht. Im Laufe der Jahrhunderte sind zahlreiche Rituale entstanden, dem jeweiligen Zeitgefühl angepasst und teilweise doch wieder verworfen oder aus anderen Gründen nicht weiter zelebriert worden. Auch heute koexistieren zahlreiche Großlogen und mit ihnen verschiedene Ritualvarianten. In den Kerninhalten stimmen sie jedoch weitgehend überein.

Das Ziel

ist bei allen ernstzunehmenden Traditionen im Wesentlichen das gleiche. Lama Ngawang Kalzang (1866 – 1936) aus der Gelug-Schule des tibetischen Buddhismus, der auch unter dem Namen Tomo Geshe Rinpoche bekannt ist, formulierte es so:

„Je größer unsere eigene Unvollkommenheit ist, desto mehr sind wir geneigt, die Fehler anderer zu sehen, während diejenigen, die eine tiefere Einsicht gewonnen haben, durch diese Fehler hindurch sehen können in die wahre Natur anderer Wesen. Die größten Menschen waren darum jene, die die göttlichen Qualitäten in ihren Mitmenschen erkannten und jederzeit bereit waren, selbst den Unscheinbarsten unter ihnen Achtung zu zollen. Solange wir uns anderen überlegen dünken und auf die Welt herabschauen, können wir keinen wirklichen Fortschritt machen. Sobald wir aber zur Einsicht gelangen, dass wir in genau der Welt leben, die wir verdienen, werden wir die Fehler anderer als unsere eigenen empfinden – selbst wenn sie in anderer Form als bei uns selbst in Erscheinung treten. Es ist unser eigenes Wirken, dass wir in dieser unvollkommenen Welt leben, denn sie ist im letzten Sinn unsere eigene Schöpfung. Nur eine solche Haltung kann uns helfen, unsere Schwierigkeiten zu überwinden, denn sie ersetzt fruchtlose Negierung durch den positiven Impuls zur Vervollkommnung, der uns nicht nur einer besseren Welt würdig, sondern zu Mitwirkenden und Teilhabern an ihrer Schöpfung macht.“

Die Freimaurerei setzt nicht den Glauben an karmische Manifestationen voraus, aber auch für sie gilt:

Die sicherste Methode, die Welt zu verändern, ist, sich selbst zu verändern.